Das Buch „Lean in“ von Sheryl Sandberg* stand schon eine geraume Zeit in meinem Bücherregal und auf meiner Leseliste. Und es hat sich definitiv gelohnt. Es ist eine Mischung aus biographischen Anteilen und persönlichen Erfahrungen im Arbeitsumfeld von Sheryl Sandberg – immerhin Co-Geschäftsführerin von Facebook! Im Kern analysiert sie akribisch, warum sich so wenig Frauen in Führungspositionen befinden und was besser werden sollte, damit sich genau das ändert. Aber nicht nur das! Es fließen immer wieder Tipps zu Karriere und Kommunikation mit ein. Also ein Buch, woraus auch Männer definitiv Mehrwert ziehen können.
1. Frauen unterschätzen sich permanent
„Wenn Sie einen Mann bitten, seinen Erfolg zu erklären, wird er für gewöhnlich seine angeborenen Talente und Fähigkeiten anführen. Stellen Sie dieselbe Frage einer Frau, wird sie ihren Erfolg auf externe Faktoren zurückführen, betonen, dass sie gut war, weil sie „wirklich hart gearbeitet hat“ oder „Glück hatte“ oder „unterstützt“ wurde. Männer und Frauen unterscheiden sich auch in ihren Erklärungen für das Scheitern.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 45
Frauen sehen vor allem äußere Umstände in ihren Erfolgen und innere Fehler bei einem Scheitern. Bei Männern ist es genau umgekehrt. Sie sehen vor allem ihre Talente für ihren Erfolg und äußere Umstände bei Misserfolg. Auch kratzt ein Scheitern mehr am Selbstbewusstsein einer Frau als dass es beim Mann der Fall wäre.
Aber auch die Medien und Kollegen sind schnell zur Stelle einer Frau externe Faktoren zuzuschreiben, wenn sie Erfolg hat. Dann hat sie eben Glück gehabt oder einflussreiche Mentoren. Sheryl Sandberg hat dies am eigenen Leib erfahren, als Facebook an die Börse ging. Der Artikel zu ihr in der New York Times war gespickt von Doppelmoral.
Frauen neigen auch zu sagen, dass sie etwas noch nicht können und deswegen beispielsweise einen Job nicht annehmen. Sandberg rät das eigene Mindset umzuprogrammieren und stattdessen zu sagen: Das will ich machen – und ich lerne es, in dem ich es mache!
2. Geschlechterklischees
Es gibt aus dem Jahre 2003 eine Studie von Prof. Flynn, der ein Experiment ins Lebens gerufen hatte. Dabei ging es um eine erfolgreiche Unternehmerin, Heidi, die ihren beruflichen Erfolg auch ihrer kontaktfreudigen Persönlichkeit zu verdanken hat, in dem sie ein riesiges Netzwerk aufbauen konnte. Den identischen Lebenslauf hat man zwei Studentengruppen gegeben. Mit einem Unterschied. In der einen Gruppe hieß die Person „Heidi“ und in der anderen Gruppe „Howard“. Die Studenten bewerteten die Erfolge gleich, aber Howard schien ihnen der angenehmere Kollege zu sein. „Heidi hingegen wurde als egoistisch wahrgenommen und als nicht „die Art Person, die man einstellen oder für die man arbeiten möchte“.“
Bei Männern korrelieren also Erfolg und Beliebtheit positiv und bei Frauen hingegen negativ. Dabei sind es nicht nur Männer, die erfolgreiche Frauen weniger mögen, sondern auch Frauen selbst!
Auch wenn das kaum einer zugeben möchte, aber wir bewerten Menschen anhand von Stereotypen. Denn Frauen sollten doch sensibel sein, sich um andere kümmern und an andere denken. Die Männer sind diejenigen, die Entscheidungen treffen, ehrgeizig und erfolgreich sind. Damit ist das Klischee der Rollenverteilung perfekt!
Wenn eine Frau, dann doch mal erfolgreich ist und Spitzenpolitikerin oder Führungskraft ist, wird sie meist mit wenig schmeichelhaften Attributen versehen: Margaret Thatcher – Attila, die Henne; Angela Merkel – eiserne Frau; Indira Gandhi – die alte Hexe.
„Wenn eine Frau kompetent ist, ist sie dem Anschein nach nicht nett genug. Wenn eine Frau wirklich nett ist, hält man sie eher für sympathisch als für kompetent. Nachdem Menschen aber nur Leute einstellen und fördern wollen, die sowohl kompetent als auch nett sind, wird dies für Frauen zu einer riesigen Hürde. Sich auf „typisch“ weibliche Art und Weise zu verhalten, macht es schwer, dieselben Gelegenheiten ergreifen zu können wie Männer. Doch setzt eine Frau sich über solche Erwartungen hinweg und ergreift diese Gelegenheiten einfach, hält man sie für egoistisch und der Sache nicht würdig. Seit der Highschool hat sich nichts verändert. Intelligenz und Erfolg machen in keinem Alter beliebt. Dadurch wird alles sehr kompliziert, denn während sich Frauen einerseits an den Tisch setzen und zu ihrem Erfolg stehen müssen, werden sie andererseits gerade deswegen weniger gemocht.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 63
Aber die meisten Menschen wollen jedoch gemocht werden. Denn das ist auch „ein Schlüsselfaktor für den beruflichen und persönlichen Erfolg“. Wenn einem jemand unsympathisch ist, wird man diesen wohl eher nicht fördern oder sich für diesen einsetzen. Das bedeutet, dass es erfolgreiche Frauen doppelt schwer haben.
Im Buch macht Sandberg einen Lösungsvorschlag, um dennoch bei Verhandlungen erfolgreich zu sein:
„Der Zwecke einer erfolgreichen Verhandlung ist es, die eigenen Ziele zu erreichen und immer noch gemocht zu werden. (…) Frauen können ihre Chancen auf das gewünschte Ergebnis erhöhen, indem sie zwei Dinge miteinander verbinden. Zunächst müssen Frauen sympathisch rüberkommen, an andere denken und „angemessen“ weiblich sein. Wenn Frauen eher bestimmt auftreten („Ich will das und das und verdiene es auch“), reagieren die Leute deutlich negativer. (…) Laut Professor Bowles müssen Frauen zweitens eine legitime Begründung für die Verhandlung liefern.“
Sheryl Sandberg; Lean in; S. 67 und 68
Ein anderes Problem ist die Wahrnehmung von Kompetenz bei Frauen und Männern. Wenn Frauen und Männer die gleiche Qualifikation aufweisen, wird dennoch der Mann als kompetenter wahrgenommen (Merke: Rollenklischee!).
Die Geschlechtervorurteile machen vor allem in den Führungsetagen nicht halt. Sandberg beschreibt eine Begebenheit, in der Amy Goodfried in den späten 1990er Jahren die Teamleitung für Derivate übernehmen sollte. Es war ein so „umwälzendes Ereignis“, das vier Männer in leitenden Positionen das Team verließen. Amy begegneten vor allem Skepsis und Kritik. Warum sollte diese Position eine Frau einnehmen? Kann die das überhaupt? Sie baute das Team in den folgenden Jahren um. Erst als es mehr als fünf weibliche Geschäftsführerinnen in der Abteilung ab, nahm die Ablehnung und das Gerede gegenüber Frauen ab.
Aber auch im Privaten sind die Geschlechterklischees sehr aktiv.
„Geschlechtsspezifische Erwartungen sind nach wie vor selbsterfüllend. Der Glaube, Müttern sei die Familie wichtiger als der Beruf, benachteiligt Frauen. Denn so gehen Arbeitgeber davon aus, dass die Mütter das erwartete berufliche Engagement nicht erfüllen werden. Im Umkehrschluss wiederum wird von Männern erwartet, dass die Karriere für sie an erster Stelle steht. Wir bewerten Männer in erster Linie nach ihrem beruflichen Erfolg und vermitteln ihnen die klare Botschaft, dass ihre persönlichen Errungenschaften nicht ausreichen, damit sie Wertschätzung oder Erfüllung erfahren.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 160
Genau zu diesem Thema hat Sandberg einen wichtigen Rat:
„Wenn es darum geht, sesshaft zu werden, suchen Sie nach jemanden, der ein gleichberechtigter Partner sein möchte. Jemand, der findet, dass Frauen klug, eigensinnig und ehrgeizig sein sollten. Jemand, dem Fairness wichtig ist und der bereit ist, seinen Anteil im Haushalt zu übernehmen oder, besser noch, es sogar will.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 162
Es wird im Buch auch von einer Frau berichtet, die ihre Dates einer richtigen Prüfung unterzogen hat, ohne dass diese es mitbekommen haben. Waren die Männer flexibel? Konnten sie es akzeptieren, dass der Beruf teilweise wichtiger war als das nächste Treffen? So hat sie sichergestellt, dass sie einen wirklichen Partner findet, der sie privat und beruflich unterstützt.
Aber auch Männer profitieren von einer gerechteren Aufteilung von Job und Haushalt zwischen den Partnern. Denn so steigt die Zufriedenheit signifikant von BEIDEN und die Scheidungsrate sinkt.
3. Ergebnisse zählen
An anderer Aspekt ist die Arbeitszeit an sich. Wir werden überwiegend nach unserer Arbeitszeit bezahlt und weniger nach unseren Ergebnissen. Das führt oft dazu, dass die Leute auf Arbeit ihre Zeit absitzen oder mit weniger sinnvollen Dinge füllen. Die Produktivität ist in der Regel nicht so hoch wie sie sein könnte.
Ein ergebnisorientiertes Arbeiten führt in der Regel zu besserer Produktivität!
„Trotzdem ist es leider noch weit verbreitet, die Angestellten nach traditioneller Praxis aufgrund ihrer Präsenz und nicht nach Ergebnissen zu beurteilen. Daher geht es für viele Angestellte vorrangig um möglichst lange Anwesenheitszeiten im Büro und nicht darum, ihre Ziele so effizient wie möglich zu erreichen. Wenn wir vermehrt auf Ergebnisse schauen würden, würden Menschen davon profitieren und die Unternehmen effizienter und wettbewerbsfähiger.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S.183
Warum muss ich also länger als nötig im Büro sein, wenn ich meine Ziele schon erreicht habe? Vielleicht kann diese Praxis durch das Homeoffice deutlich aufgeweicht werden.
4. Perfektionismus ablegen
Perfektionismus ist tödlich. Es gibt nur wenige Bereiche wo Perfektionismus angesagt ist, ansonsten raubt er einfach nur Zeit und Nerven.
Ein Mantra von Sandberg ist: „Erledigt ist besser als perfekt!“
Meist reichen auch 95%. So lange es sich nicht um statistische Arbeiten handelt im Rahmen von Studien handelt, ist der Unterschied zwischen sehr gut und perfekt in der Regel nicht weltbewegend.
Auch kann uns Perfektionismus von der Umsetzung unserer Ideen abhalten! Wenn du einen Blog starten willst und dabei ein Jahr brauchst, um deine Website zu bauen und die ersten Texte zu schreiben, wird das Vorhaben eher nichts. Daher einfach mal anfangen!
5. Den Status quo durchbrechen
„Ich habe das zu meinem „Ding“ gemacht, weil wir den Status quo verändern müssen. Still zu sein und sich anzupassen war vielleicht tatsächlich das Einzige, was der ersten Generation Frauen in der Wirtschaft übrigblieb; in manchen Fällen ist das vielleicht auch heute noch der sicherste Weg. Aber für die Gesamtheit der Frauen zahlt sich diese Strategie nicht aus. Stattdessen müssen wir den Mund aufmachen, die Hindernisse für Frauen klar benennen und Lösungen finden.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 206
Die Hoffnung, dass sich von selbst etwas ändert, ist in der Regel zwecklos. In der Harvard Business School beispielsweise wurde durch ein paar kleine Änderungen eine andere Kultur des Miteinanders geschaffen. Zum Beispiel sollten die Studierenden immer auf ihre Wortwahl achten. „Bei Führung geht es darum, anderen durch Ihre Anwesenheit zu besseren Leistungen zu verhelfen und sicherzustellen, dass diese Wirkung auch dann anhält, wenn Sie nicht anwesend sind.“
„Zum Beginn des nächsten Studienjahres war das Leistungsgefälle tatsächlich verschwunden. Männer, Frauen und ausländische Studenten waren bei den vergebenen Auszeichnungen anteilig gleich vertreten. Und es gab noch einen weiteren Vorteil. Zur Überraschung vieler stieg die allgemeine Zufriedenheit der Studenten, und zwar nicht nur bei den Frauen und den ausländischen Studierenden, sondern auch bei den amerikanischen Männern. Durch ein Umfeld mit mehr Gleichberechtigung ging es alles besser. Und all das wurde innerhalb von gerade einmal zwei Jahren erreicht.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 221
Wenn das im kleinen Kreis so gut funktioniert, muss das auch im größeren Rahmen möglich sein!
Eine interessante Anmerkung gibt es in diesem Kapitel. Immer wieder hört und liest man, dass bestimmte Menschen sagen, dass sie keine geschlechtsspezifischen Vorurteile haben und Frauen und Männer gleich bewerten. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass gerade diese Menschen einen großen „blinden Fleck für (dieses) Bias-Phänomen“ haben.
„Für den Posten des Polizeichefs sollten identisch dargestellte männliche und weibliche Kandidaten bewertet werden. Tatsächlich zeigten die Befragten, die von sich behaupteten, am wenigsten voreingenommen zu sein, einen größeren geschlechtsverzerrten Effekt zugunsten männlicher Kandidaten. Das ist nicht nur kontraproduktiv, es ist auch sehr gefährlich.“
Sheryl Sandberg; Lean in, S. 214
Diesen Status quo zu durchbrechen ist nur gemeinsam möglich. Es braucht auf mehreren Ebenen Akzeptanz. Nicht nur, dass Frauen der berufliche Aufstieg ermöglicht wird, es muss auch Anerkennung finden, wenn ein Mann lieber mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen will! Auch Frauen sollten Frauen unterstützen! Wie oft begegnet mir selbst im Alltag das Phänomen, dass Frauen sich gegenseitig bis auf das Blut bekriegen, weil es unterschiedliche Ansichten über Kindererziehung und Karriere gibt. Das ist nicht zielführend!
Buchtipps aus dem Buch „Lean in“ von Sheryl Sandberg
- Die 7 Wege zur Effektivität von Stephen Covey*
- Getting to 50/50: How Working Parents Can Have It All von Sharon Meers und Joanna Strober*
- Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten von General Colin Powell mit Tony Koltz*
Fazit zum Buch „Lean in“ von Sheryl Sandberg
Ich hätte am Anfang nicht gedacht, dass sich so ein Schatz in dem Buch von Sheryl Sandberg versteckt. Jede Frau sollte dieses Buch gelesen haben, denn es ist ein Manifest von einer Frau für Frauen. Es umreißt einfach das Spektrum – Beruf, Erfolg und Familie – und lässt dabei keine Klippe aus, die Frauen nehmen müssen, um letztlich erfolgreich zu sein. Untermauert werden ihre Aussagen mit einer Vielzahl an zitierten Studien! Definitiv lade ich auch Männer dazu ein, dieses Buch zu lesen, denn so bekommen sie einen recht guten Einblick in das Minenfeld, in dem sich Frauen befinden.
Es ist ein definitiv sehr lesenswertes Buch.
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Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen!
Deine Anna von Finanzmedicus
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