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Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit von Mai Thi Nguyen-Kim

Dieses Buch stand schon sowohl eine geraume Zeit auf meiner Leseliste als auch seit Weihnachten in meinem Bücherregal. „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ von Mai Thi Nguyen-Kim (ich hoffe, ich schreibe deinen Namen durchgehend richtig…) ist ein echter Buchschatz. Nicht nur, dass sie die gängigsten wissenschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Streitfragen aufgreift, sie beleuchtet die Thesen auch von allen Seiten und mit allerhand Quellenangaben (habe ich schon mal erwähnt, dass ich genau diese Art und Weise der Argumentation liebe?!). Das Buch ist unterteilt in 9 Kapitel – entsprechend geht Mai 9 Streitfragen auf den Grund. Angefangen von der Legalisierung von Drogen, über Videospiele und Gewalt bis hin zu Pharma und Alternativmedizin, Impfungen und Klimawandel ist alles dabei.

Wer Mai nicht kennt: sie ist Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Außerdem betreibt sie den hervorragenden YouTube-Kanal maiLab.

Technische Daten zu „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“

Das Buch umfasst 367 Seiten, inklusive Quellen- und Bildnachweis und ist im Droemer-Verlag erschienen. Die Kosten liegen bei 20 Euro.

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Das „Warum“ der Autorin

„In diesem Buch will ich mich auf die Suche begeben, auf die Suche nach der kleinsten gemeinsamen Wirklichkeit. Ich will nicht nur herausfinden, worauf wir uns tatsächlich einigen könne, sondern auch – und das ist eigentlich viel spannender -, wo die Fakten aufhören, wo Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse noch fehlen und wir uns also völlig berechtigt gegenseitig persönliche Meinungen an den Kopf werfen dürfen. Nur wenn man bei einem Streit auf dem Fundament einer gemeinsamen Wirklichkeit steht, funktioniert Streit, funktioniert Debatte, ohne dass wir uns wie aufgezogene Frösche ins Gesicht springen müssen.“

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit; Mai Thi Nguyen-Kim, S. 13

Gedanken aus dem Buch „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“

Da das Buch in 9 Kapitel unterteilt ist und jedes für sich einen großen Themenkomplex beleuchtet, möchte ich nicht wahllos Aussagen aus dem Kontext reißen und hier vorstellen. Das würde dem Buch einfach nicht gerecht werden. Vielmehr möchte ich einen Themenkomplex näher beschreiben, der auch sehr zum Blog-Thema passt.

In Kapitel 3 des Buches geht es um „Gender Pay Gap“ und das Thema finde ich nach wie vor hochspannend!

Der unbereinigte Gender Pay Gab wird mit 19 Prozent beziffert. Dabei wurde lediglich der durchschnittliche Bruttoarbeitslohn (ohne Sonderzahlungen) von Männern und Frauen verglichen. Die Daten wiederum stammen vom statistischen Bundesamt. Dabei lag der durchschnittlich Bruttoverdienst von Frauen bei 17,33 Euro und der von Männern lag bei 21,70 Euro. Satte 4,37 Euro Unterschied. Allerdings wird hier NICHT direkt die gleiche Arbeit verglichen, sodass der alljährliche Equal Pay Day ziemlich spät und missverständlich angesetzt ist.

Wichtiger ist für die Vergleichbarkeit der bereinigte Gender Pay Gap.

„Dafür braucht man neben dem Bruttostundenlohn eine ganze Menge weiterer Daten: die Art der Beschäftigung, die Qualifizierung der Arbeitnehmenden, die Berufsposition und so weiter. Die bekommt man aus der sogenannten Verdienststrukturerhebung, die alle vier Jahre vom Statistischen Bundesamt durchgeführt wird.“

Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit; Mai Thi Nguyen-Kim, S. 92

Jetzt wird es spannend! Von den 4,37 Euro Unterschied entfallen 1,34 Euro auf die Berufs- und Branchenwahl. Dabei spielt die Qualifikation nur eine untergeordnete Rolle mit 12 Cent. Vielmehr wählen Frauen eben die sozialen Berufe, die schlechter bezahlt werden (aber gebraucht werden! Welch bittere Ironie!). Die „echte“ Lohnlücke, die nicht durch objektivierbare Daten zu erklären ist, liegt bei 1,28 Euro. Das ergibt 6 Prozent.

Auch wenn die 6 Prozent erst einmal wenig klingen, ist die gesamte Situation für Frauen ziemlich explosiv. Denn der Hauptgrund, warum Frauen finanziell den Kürzeren ziehen sind …. die lieben Kinder. Gemeinsame Kinder wohlgemerkt. Die University of Chicago hat dies gut an ihren Absolventen der Business School nachvollziehen können (S. 100 im Buch). Denn das Gehalt der Frauen nimmt dort dynamisch mit zunehmendem Alter ab. Diese Schere scheint erst ungefähr Anfang vierzig wieder etwas zusammenzugehen (S. 101 im Buch), denn dann sind die Kinder „aus dem gröbsten“ raus.

Das Problem der ungleichen Bezahlung trifft Frauen doppelt, nicht nur während der Berufstätigkeit, sondern auch zur Rente. Und von der Altersarmut sollte inzwischen jeder etwas gehört haben.

Fazit zum Buch „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ von Mai Thi Nguyen-Kim

Ich bin begeistert von diesem Buch. Es stößt zwar nicht meine Nummer 1 vom Thron, kommt aber sofort an Platz 2. Nicht nur, dass die Streitfragen schön ausgewählt sind, es wurden auch ordentlich Studien und Methoden gewälzt! Ein Traum für mich. 🙂 Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der differenzierter zu diesen Themen in die Debatte starten – oder aber einen kleinen Einblick ins wissenschaftliche Arbeiten erhalten möchte.

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Ich wünsche dir sehr viel Spaß beim Lesen und freue mich auf dein Feedback zu diesem Buch!

Liebe Grüße

Anna

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