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Einfach genial entscheiden von Hartmut Walz

Das Buch „Einfach genial entscheiden – Die 60 wichtigsten Erkenntnisse für Ihren Erfolg“ von Hartmut Walz ist eine Sammlung von häufigen Fällen für Fehlentscheidungen und Manipulationen. Damit alles leichter lesbar (und auch leichter zu merken) ist, sind die einzelnen Entscheidungsfallen in 60 kurze Kapitel zu je 4 Seiten eingeteilt. In Summe sind es 270 Seiten und der Kostenpunkt liegt bei 19,95 €.

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Um eines vorwegzunehmen. Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zugeschickt. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut, was aber meinem letztlich Urteil keinen Abbruch tut. Vergleichend dazu habe ich bereits ähnliche Bücher zu diesen Thema gelesen und fand sie sehr gut – hier namentlich erwähnt Rolf Dobelli und seine verschiedenen Werke. Zwei davon habe ich bereits auf diesem Blog rezensiert: Die Kunst des guten Lebens sowie Die Kunst des klugen Handelns. Auch habe ich bereits ein Finanzbuch von Prof. Walz gelesen und rezensiert (hier geht’s zum Artikel).

Das erste, was ich tat, als ich das Buch „Einfach genial entscheiden“ aufgeschlagen habe: ich habe im Literaturverzeichnis geschaut, ob der Psychologe, Nobelpreisträger und Autor Daniel Kahneman vorkommt. Falls nicht, hätte das Buch glatt einen Stern verloren. 😉 Kahneman ist ein Mitgründer der Verhaltensökonomik und hat viel zum Thema kognitive Verzerrungen geforscht. Wer weiteres Lesen möchte, dem verlinke ich hier den Wikipediaartikel zu Daniel Kahneman. Aber zurück zum Inhaltsverzeichnis. Kahneman kommt vor, also alles gut. 😉

Der Aufbau der 60 Kapitel ist immer gleich. Zum einen sind es recht kurze Kapitel mit 4 Seiten, zum anderen wird der psychologische Fallstrick nochmal durch tolle Beispiele und Zitate besser merkfähig gemacht. (Denn in der Regel behalten wir von einem gelesenen Buch nicht allzu viel.) Zudem gibt es zu jedem Kapitel weiterführende Literatur, Quellenangaben und Querverweise.

3 Fallstricke aus „Einfach genial entscheiden“

3 Fallstricke aus dem Buch, die ich persönlich sehr wichtig finde, möchte ich hier vorstellen. Natürlich gibt es in dem Buch noch sehr viel mehr zu entdecken, aber das würde eindeutig den Artikel sprengen.

Mentale Konten

„Mentale Kontoführung (mental accounting) ist ein Begriff der Verhaltenspsychologie und bezeichnet die allzu menschliche Eigenschaft, Einnahmen und Ausgaben mit den sie auslösenden Anlässen oder Verwendungszwecken zu verbinden. Das Phänomen beschreibt insbesondere die Art und Weise, wie Menschen Preise, Leistungen und Güter auf geistige Konten verbuchen. Konkret sichtbar wird mentale Kontoführung am – von vielen Menschen – geübten Zwecksparen, d.h. dem ganz speziellen Sparkonto für das neue Auto bzw. die neue Stereoanlage oder der Urlaubskasse. Kurz gesagt haben Menschen bei ökonomischen Entscheidungen nahezu immer verschiedene Konten im Kopf.“

Einfach genial entscheiden, Hartmut Walz, S. 155

Die unterschiedlichen mentalen Konten können zu suboptimalen finanziellen Entscheidungen führen, da ähnliche Geldbeträge völlig verschieden bewertet (und teils irrational) werden. Beispiel: Jemand dreht beim Einkauf jeden Cent um, aber wenn es um das Auto geht, dann sind ihm 1.000 Euro mehr oder weniger egal. Im Extremfall können reale (mentale) Konten zu der absurden Konstellation führen, dass ein Konto vielleicht im Minus ist und Überziehungszinsen fällig werden und ein anderes Konto ist prall gefüllt.

Zum Thema mentale Kontoführung zählt auch der Lottogewinn oder geschenktes Geld. Dieses geben wir meist leichter aus, als hart erarbeitetes Geld. Warum eigentlich? 😉 Generell sollte man sich immer überlegen, wofür das Geld ausgegeben wird (und ob es einen glücklich macht).

Hartmut Walz bringt zu diesem Fallstrick noch andere Beispiele. Eines davon ist die Immobilienfinanzierung. Banken bieten zum Teil preisgünstige Immobilienfinanzierungen an – aber nur im Paket mit einer überteuerten kapitalbildenden Lebensversicherung.

Renormierung

Ein Phänomen, das etwas weiter geht als nur bis zum eigenen Konto und gesamtgesellschaftlich gesehen werden kann. Dieses Kapitel im Buch „Einfach genial entscheiden“ hat mich persönlich sehr zum Nachdenken gebracht.

„Renormierung funktioniert dadurch, dass oftmals der Radikalste oder am wenigsten Offene oder Tolerante siegt bzw. an Macht oder Einfluss gewinnt, da die tolerante Mehrheit auf- oder nachgibt. Zugespitzt, aber keineswegs unwahr könnte man auch sagen: “ Der Extremste oder Intoleranteste gewinnt.“ Dabei scheint es als nahezu unvermeidlich, dass die Toleranten Schritt für Schritt an Boden verlieren und von ihren Positionen abrücken. Denn die Logik ist bestechend und offensichtlich a-symmetrisch: Ein Nicht-Vegetarier kann problemlos auch vegetarisch essen – das Gegenteil ist unmöglich. (…) Vielleicht sollten wir häufiger über Asymmetrie zwischen Toleranz für oder gegen etwas nachdenken. Und den Renormierungseffekt im Hinterkopf behalten oder, besser noch, ihn antizipieren.“

Einfach genial entscheiden, Hartmut Walz, S. 43

Dieses Phänomen kann auf die gesamte Gesellschaft übertragen werden. Wenn wir tolerant gegenüber Interoleranten sind, dann wird die Toleranz im Gesamten (bzw. die Toleranten) nach und nach verschwinden. Daher sollten wir uns als Gesellschaft gut überlegen, welchen Haltungen gegenüber wir tatsächlich tolerant sind und wo wir rote Linien ziehen müssen. Das jüngste Beispiel war/ist die Pandemie. Wie tolerant sollten wir denjenigen gegenüber sein, die keine Maske tragen wollen? Anderes Beispiel: Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Wie tolerant sollten wir gegenüber Menschen sein, die ausländerfeindlich und/oder antisemitisch eingestellt sind? (Meine Meinung: Null Toleranz). Die Geschichte lehrt uns, was passiert, wenn die breite Masse (aka Gesellschaft) zu viel toleriert oder im schlimmsten Falle wegschaut.

„Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ Karl Popper

Einfach genial entscheiden, Hartmut Walz, S. 45

Gefrorene Entscheidung

Das ist eine Gedankenfalle, die sich jeder gut durchdenken sollte, denn sie wird von Verkäufern sehr häufig genutzt und kann dadurch zu ungünstigen Entscheidungen führen.

„Eine „gefrorene“ Entscheidung liegt vor, sobald Sie sich innerlich entschieden haben (obwohl Sie es eigentlich nicht müssten). Nach dem Gefrieren ist der Entscheidungsprozess mehr oder weniger „immun“ gegenüber neuen Daten und Fakten. Clevere Gegenüber wissen dies und versuchen in einer ersten Gesprächsphase diesen Punkt des Gefrierens (= der inneren Festlegung) zu erreichen. Danach tauchen dann „Sachzwänge“ oder Schwierigkeiten auf, die Ihre Situation oder Verhandlungsseite verschlechtern (und gleichzeitig die des Gegenübers verbessern). Der Fehler tritt dann ein, wenn Sie Ihre ursprüngliche Entscheidung nach der Verschlechterung nicht mehr grundlegend infrage stellen. Genau dies ist aber das normale bzw. typische Verhalten im Entscheidungsprozess.“

Einfach genial entscheiden, Hartmut Walz, S. 71

Das bedeutet, wenn ein großer Kauf bevorsteht (neue Küche, Gartenanlage oder sogar ein Haus), sollte man immer Aufmerksam sein, ob nicht nach der eigentlichen Entscheidung zum Kauf, der Verkäufer mit Details um die Ecke kommt, die den Deal unattraktiver machen. Auch sollte man sich IMMER vergegenwärtigen, dass eine Kaufentscheidung zu jedem Zeitpunkt abgebrochen werden kann. Auch sollte man sich nie zu einer Entscheidung schnell drängen lassen, sondern sollte bei jeder (großen) Kaufentscheidung genügend Zeit zum Nachdenken haben.

Fazit Einfach genial entscheiden

Ich persönlich finde dieses Buch tatsächlich genial. Nicht nur, dass die einzelnen Gedanken- bzw. Entscheidungsfallen beschrieben werden, sie sind auch sehr gut aufbereitet. Hartmut Walz arbeitet mit vielen anschaulichen (Finanz-) Beispielen und formuliert die take-home-massage nochmal in einem extra Absatz. So bleibt das Gelesene tatsächlich länger präsent. Genau das finde ich auch noch besser gelöst als bei Rolf Dobellis Büchern.

Wer also mehr wissen will über die mentalen Fallstricke bei Entscheidungen ist bei diesem Buch sehr gut aufgehoben. Ich kann es dafür uneingeschränkt empfehlen. Zusätzlich möchte ich noch auf den Blog (www.hartmutwalz.de)** vom Autor aufmerksam machen, da er sich ebenfalls dafür stark macht, dass Laien nicht von Finanzstrukturbetrieben mit unnötig teuren Versicherungen etc. über den Tisch gezogen werden. Stichwort: Sei kein LeO. 😉

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Viel Spaß beim Lesen

Anna

*Affiliatelinks. Keine Mehrkosten für dich, aber du damit unterstützt meinen Blog. Vielen Dank dafür.

** Nennung des Blogs aus persönlicher Empfehlung. Es erfolgte keine Vergütung oder ähnliches.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Joerg

    Danke fuer die Rezension.
    Zu deiner Corona + Masken Auffassung:
    n-tv.de/panorama/Schweiz-hebt-landesweite-Corona-Regeln-auf-article23240726.html
    Warum interpretieren unsere Nachbarn das so anders als wir?
    Wer ist der tolerante und wer der intolerante Buerger?
    LG Joerg

    1. Die Fragen möchte ich anders formulieren. Wer sind wir als Gesellschaft? Was sind unsere Werte? Wen oder was finden wir schützenswert? In Bezug auf Corona: Wen schützen wir mit den Masken und den allgemeinen Coronaregeln? Gibt es Personengruppen, die sich (noch) nicht optimal schützen können (z.B. Kinder, Immunsupprimierte etc.)?
      Im Gegensatz dazu: Was bezweckten Personengruppen, die von Anfang an gegen jegliche Regeln waren bzw. später dann auch gegen die Impfung?

      Zu den Nachbarstaaten. Das wird von Staat zu Staat unterschiedlich gehandhabt. Ein krasses Gegensatzbeispiel wäre wiederum China.
      LG Anna

  2. Joerg

    Danke, Anna,
    Danke, dass du im Gesundheitswesen arbeitest!

    Meine schiefe Sicht auf unsere deutsche Gesellschaft (im Vgl zu unseren Nachbarn):
    – eher staatsglaeubig?
    – eher weniger Eigenverantwortlichkeit?
    – eher unselbstaendig (andere sollen entscheiden)?
    – weniger medienkritisch?

    Meine Sicht auf Masken: wer vor Omikron Angst hat, sollte eine FFP2 Maske moeglichst dicht tragen, wenn Sicherheitsabstaende nicht eingehalten werden koennen in Innenraeumen.
    Wer erkaeltet ist, niest und hustet, sollte aus Ruecksicht eine medizinische Maske tragen.
    Wer gesund ist, braucht auch keine Maske zu tragen.

    Wenn es denn von Staaten unterschiedlich gehandhabt wird, was heisst das deiner Meinung nach?
    – alle haben gleich recht und machen es gleich richtig?
    – manche machen es richtiger und manche falscher?
    – wie kann man herausfinden, welche Risiken echt sind und welche uebertrieben eingeschaetzt werden?
    – gibt es objektive Wahrheiten oder nur subjektive?

    LG Joerg

    1. Hallo Joerg,

      ich denke die Thematik, wer recht hat, wird nur die Zukunft zeigen, in dem man sich die Sterberegister bzw. eine mögliche Übersterblichkeit anschaut.
      Was Covid angeht, sollte man zwei Dinge im Blick haben. Das eine sind die schweren Verläufe, die treffen vor allem ältere und vorerkrankte Menschen. Aber das andere ist das Post-Covid-Syndrom und das ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Hier sehe ich jeden Tag teils sehr junge Menschen, die nach einem leichten Verlauf einfach nicht mehr auf die Beine kommen und Luftnot bei Belastung haben. Genau aus dieser Problematik heraus, bin ich sehr dafür tatsächlich Maske zu tragen und zu impfen, damit das Risiko einfach gesenkt wird an diesem Syndrom zu erkranken. Aber auch hier werden die objektiven Zahlen erst später kommen, z.B. wie groß das Problem Post-Covid in der Bevölkerung ist.
      Lg Anna

      1. Joerg

        Hallo Anna,

        Danke fuer deinen Mut, dieses heikle Thema auf deinem Blog zu behandeln.

        Ich kann deine Argumentation nachvollziehen: Als taeglich mit Kranken in Kontakt Stehende ist dir Omikron praesenter als vielen anderen Menschen.

        Die Angst vor Langzeitschaeden nach einer Omikron-Infektion schaetzen unsere Nachbarlaender offensichtlich wohl voellig anders ein?
        Aber sie werden ja nicht ihre Bevoelkerungen leichtfertig „ins Messer laufen lassen“, oder?

        Vielleicht liegt es an dem Effekt, Risiken, in die man taeglich involvierter ist, anders zu bewerten?
        Vielleicht so aehnlich wie Aerzte von der Unfall-Chirurgie ob der vielen eingelieferten Motorrad-Fahrer generell einem Motorrad-Fahrverbot viel niederschwelliger Zustimmen wuerden, als ein Motorrad-Fahr-Club?
        Koennte dieser verschiedene Blick auf Risiken bei deiner Sicht auf Omikron vielleicht auch eine Rolle spielen?

        LG Joerg

  3. Chris

    Hi Anna,

    vielen Dank für deine Rezension.
    Ich habe dieses Buch seit Jahren auf meiner Wunschliste. Allerdings hat mich die Aufmachung irgendwie nicht „angemacht“.
    Zum Thema Entscheidungen fand ich bisher die beiden Bücher: Schnelles Denken, langsames Denken sowie Risiko sehr gut. Meinst du, dass man Genial entscheiden dennoch lesen sollte? 🙂

    Viele Grüße
    Chris

    1. Finanzmedicus

      Hi Chris,
      vielen Dank für deine Antwort.
      Respekt, dass du dich durch schnelles Denken, langsames Denken durchgekämpft hast! Ich habe nach 150 Seiten etwas die Lust daran verloren, insofern kann ich dir nicht sagen, wie viele Überschneidungen es gibt. Das Buch Risiko kenne ich noch nicht – wie fandest du es? Ich finde Genial entscheiden auch deswegen gut, weil er schwerpunktmäßig auf die Finanzszene eingeht und ich einige Aha-Momente aus dem Buch mitnehmen konnte. Ich werde es auch ein zweites Mal lesen und kann es wärmstens empfehlen.
      LG Anna

      1. Chris

        Hi Anna,

        super ich danke dir.
        Schnelles Denken, langsames Denken ist schon recht umfangreich, das stimmt. Kahnemanns zweites Buch Noise fand ich noch wissenschaftlicher. Aber am Ende reicht es mir, wenn ich wenigstens eine Idee mitnehmen und auf mein Leben adaptieren kann 🙂
        Ich werde Genial entscheiden auf jeden Fall eher lesen als gedacht 😉

        Viele Grüße
        Chris

      2. Finanzmedicus

        Hi Chris,

        ich gebe dir recht, dass man zumindest eine Idee mitnehmen kann aus den Büchern von Kahneman. Wenn man aber mehr als eine Idee mitnehmen kann, dann wäre es noch besser ;).

        Wieso wirst du es eher lesen als gedacht? 😉

        LG Anna

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