Mein Chef ist irre, Ihrer auch? Buch über Psychopathen

Vor ein paar Wochen ploppte der Titel „Mein Chef ist irre, Ihrer auch? – Warum Psychopathen Führungskräfte werden und wie Sie das überleben“ von Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader bei Instagram auf und hat direkt mein Interesse geweckt (und leider dachten einige Kollegen von mir, ich meinte meinen Chef als ich den Post damals teilte. Was definitiv nicht der Fall ist. Also Chef, falls du hier mitliest: du bist NICHT gemeint!). Ohne Frage ist das ein sehr kontroverser Titel, aber die Marketingstrategie hat zumindest bei mir funktioniert. Im Buch geht es um psychopathische oder zumindest sehr verhaltensauffällige Chefs, die ihren Mitarbeitern und Kollegen das Leben ziemlich schwer machen können. Neben vielen Berichten von Betroffenen versuchen sich die Autoren auch an einer Kategorisierung in 10 Typologien der miesen Verhaltensweisen von Chefs. Vom Narzissten über den Paranoiden wird vieles beschrieben. Gleichzeitig werden Hilfestellungen gegeben, wie man als Mitarbeiter mit dem jeweiligen Cheftyp umgehen kann und wo definitiv die Limitationen liegen.

Technische Daten zum Buch „Mein Chef ist irre, Ihrer auch?“

Das Buch „Mein Chef ist irre, Ihrer auch?“ ist im Ullsteinverlag erschienen und umfasst 368 Seiten. In Deutschland kostet die Ausgabe 17,99 €. Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.

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Gedanken aus dem Buch „Mein Chef ist irre, Ihrer auch?“

Wie groß ist das Problem der verhaltensauffälligen Chefs?

Man kann ja viel über Psychopathen in Chefpositionen schreiben, aber wenn das Problem nur vereinzelt auftritt, dann wäre die These des Buches doch überzogen. Dazu liefern die Autoren allerdings Daten. (Auf die Quellenerwähnung verzichte ich, wer dazu Fragen hat, lässt einfach einen Kommentar da! Eine Anmerkung: die Autoren zitieren aus Büchern und Zeitschriftenartikeln, einen Originalartikel habe ich leider nicht im Quellenverzeichnis gefunden.)

„Je höher die Hierarchiestufe, desto höher ist der Anteil der Psychopathen, also von Menschen mit extremen Persönlichkeits-Akzentuierungen. In den Chefetagen ist er sechsmal höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Das haben die Psychopathie-Forscher Paul Babiak und Robert Hare in einer Untersuchung von über 200 Führungskräften aus sieben amerikanischen Konzernen herausgefunden. Sie befragten diese ausführlich zu Verhaltensauffälligkeiten und verglichen die Ergebnisse mit einer Bevölkerungskontrollgruppe. Aber auch der Anteil von „akzentuierten Persönlichkeiten“ unter Managern unterhalb der obersten Ebene ist überproportional hoch. (…) Einige Untersuchungen sprechen von weit über 20 Prozent der Führungskräfte, die übersteigerte, also akzentuierte Persönlichkeitsmerkmale aufweisen.“

Mein Chef ist irre, Ihrer auch?; Hesse & Schrader; S. 60

Die Autoren beschreiben nicht nur, wieviele Führungskräfte es sind, die über „akzentuierte Persönlichkeiten“ verfügen, sondern auch in welchen Bereichen besonders viele anzutreffen sind (Studie von Kevin Dutton „Great British Psychopath Survey“). Auf Platz 1 stehen CEOs und Geschäftsführer, danach kommen Anwälte (wobei das für den Mandanten hervorragend ist, wenn sein Anwalt unbedingt gewinnen will), danach auf Platz 3 Medienfachleute. Den Platz 5 möchte ich nicht vorenthalten: Chirurgen! Zitat: „Jeder kennt das Bild, wie die „Halbgötter in Weiß“ bei der Visite durch die Zimmer stolzieren – gefolgt von ihrer ehrfürchtigen oder gar ängstlichen Entourage.“ S. 62

Die Folgen schlechter Chefs

„Es ist eine schockierende Zahl: Vor der Pandemie hatte fast die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland (44 Prozent) Angst vor ihren Vorgesetzten, so das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Sie trauen sich nicht, Probleme gegenüber Vorgesetzten oder Geschäftsführung anzusprechen. In der Studie heißt es: „Während ein gutes Klima Motivation und Wohlbefinden fördert, führen mangelnde Wertschätzung und destruktives Führungsverhalten häufig zu Stress und Gesundheitsproblemen.“ (…) Schlechte Chefs machen also krank – so belegen es auch der Fehlzeiten-Report 2018 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. „Wer sich von den Vorgesetzten wertgeschätzt fühlt und die eigene Arbeit als sinnstiftend empfindet, feste durchschnittlich 9,4 Arbeitstags pro Jahr. Wenn das nicht der Fall ist, ist die Anzahl mit knapp 20 krankheitsbedingten Fehltagen mehr als doppelt so hoch““

Mein Chef ist irre, Ihrer auch?; Hesse & Schrader; S. 78

Die Autoren schreiben weiter über den VW-Konzern, der vor geraumer Zeit Vorgesetzte mit einer Abteilung mit vielen Fehltagen in eine Abteilung versetzt wurden, in der die Mitarbeiter wenig Fehltage hatten. Trommelwirbel was passierte… In der neuen Abteilung stiegen die Fehltage an! In der alten Abteilung, die einen neuen Chef bekommen hatte, sanken hingegen die Fehltage. Eigentlich ein gutes Instrument in der Führungsebene zu schauen, wo „das Problem“ in den Abteilungen liegt.

Ein zweiter Punkt, der mir beim Lesen wieder sehr deutlich wurde: Warum halten das die Menschen so lange aus? Wenn ich Angst vor meinem Vorgesetzten hätte, warum sollte ich mich immer wieder in diese Situation begeben? Ich kann mir vorstellen, dass der finanzielle Aspekt eine größere Rolle spielt. Daher bin ich ein großer Fan von F*ck-you-Money. Das Konzept dahinter: Wenn du genügend Geldpuffer auf der Seite hast, um ohne Probleme 6 Monate oder mehr über die Runden zu kommen ohne Job, dann musst du ein derart ungenügendes Arbeitsumfeld nicht hinnehmen. Du kannst einfach kündigen und musst dir keine Gedanken machen, woher im nächsten Monat das Geld kommt.

Kündigungsmanagement

Wenn die psychische Belastung zu groß wird oder du einfach nicht mehr den Sinn in deiner Arbeit siehst, haben die Autoren noch einige Tipps auf Lager, wie ein kluges Kündigungsmanagement aussehen kann. Hier ein Auszug:

„Generelle Hinweise:

-Entscheiden Sie zunächst: Geht es um eine fristgerechte oder (in Ausnahmefällen) um eine außerordentliche Kündigung? Letztere kann sich ergeben, wenn ein Vorfall (etwa eine körperliche Attacke auf Sie) stattgefunden hat, der nicht hinnehmbar ist.

-Erste Empfehlung: Sprechen Sie mit einem Fachanwalt (Arbeitsrecht) Ihres Vertrauens.

-Prüfen Sie in Ihrem Arbeitsvertrag die Kündigungsfristen.

Verhalten am Arbeitsplatz:

-Wichtig: Sprechen Sie mit niemandem in der Firma über Ihr Kündigungsvorhaben.

-Versuchen Sie, mit möglichst viel zeitlichem Abstand vor der Bekanntgabe Ihrer Kündigung ein Zwischen-Arbeitszeugnis zu bekommen.

-Sobald Sie den Entschluss gefasst haben und bevor Sie irgendwelche konkreten Schritte unternehmen, sollten Sie ihren Schreibtisch und PC „aufgeräumt“ haben und Vorgänge und Unterlagen, die Sie eventuell belasten könnten und die man gegen Sie verwenden kann, endgültig entfernt haben.

-Unternehmen Sie keine Bewerbungsaktivitäten (einschließlich Erstellung von Unterlagen) von Ihrem Schreibtisch aus (Telefonate, Nutzung des Kopierers, Dokumenterstellung auf dem PC…)

Mein Chef ist irre, Ihrer auch?; Hesse & Schrader; S. 331

Und da kommt noch einiges mehr. Prinzipiell sollte man selbst zu jeder Zeit professionell sein, auch wenn es einem die Gegenseite nicht leicht macht.

Fazit zu „Mein Chef ist irre, Ihrer auch?“

Es ist ein interessantes und gleichzeitig auch ziemlich erschreckendes Buch. Insbesondere die Erfahrungsberichte von betroffenen Mitarbeitern sind teilweise sehr aufwühlend. Nach dem Lesen dieser Berichte, erscheint der Titel des Buches gar nicht mehr so abwegig zu sein. Dennoch sei hier gesagt: NICHT JEDER Chef ist so!! Es gibt genügend Chefs, die jeden Tag ihr bestes geben und denen ihre Mitarbeiter wichtig sind. Ebenfalls möchte ich erwähnen, dass Chefs auch nur Menschen sind, die ihr Päckchen zu tragen haben.

Es ist ein gutes Buch, was die Personen unterstützen kann, die sich gerade in einer verfahrenen Situation mit ihrem Chef befinden oder generell mehr zur Thematik erfahren wollen.

Hattest du schon mal einen „irren“ Chef oder Erlebnisse der anderen Art auf Arbeit?

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Ein Buch, was ich letzte Woche vorgestellt habe, passt thematisch hier gut rein. „Was Sie hierher gebracht hat, wird Sie nicht weiterbringen“ von Marshall Goldsmith. Er arbeitet zwar als Coach für Führungskräfte, aber seine Tipps sind für jeden Gold wert. Ich konnte daraus richtig viel mitnehmen! Hier geht’s zur Rezension.

Viel Spaß beim Lesen

Anna

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