Warum reden wir überhaupt darüber?
Bevor wir uns hier in SRIs und ESGs stürzen, möchte ich das Thema umfassender angehen. Die ersten Überlegungen zum Klimawandel gab es bereits im 19. Jahrhundert, wobei damals noch nicht so richtig klar war, ob der Klimawandel zur Erdabkühlung oder Erderwärmung führen würde. Erste ernstzunehmende Klimamodelle gab es in den 1990er Jahren. Also vor ungefähr 30 Jahren. Seit dieser Zeit tritt eine Vorhersage der Wissenschaft nach der anderen ein – und wir debattieren immer noch darüber, dass die Umstellung auf eine „klimaneutrale Wirtschaft“ zu teuer sei.
Das ist frustrierend.
Investieren in Zeiten des Klimawandels
Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten des Investierens – in Aktien, ETFs, Immobilien, Kryptos und noch einiges mehr.
Aber was kann davon als nachhaltig und klimaneutral angesehen werden?
Es ist ein sehr schwieriges Feld und meiner Meinung nach wird da auch viel Augenwischerei betrieben. Aber zu den einzelnen Punkten:
– Aktien: Bevor man eine Aktie kauft, sollte man das Unternehmen auf Herz und Nieren prüfen – soweit das für Privatanleger möglich ist (Stichwort Wirecard!). Im Rahmen der Kennzahlenanalyse kann man genauso gut prüfen, inwieweit das Unternehmen klimaneutral und umweltfreundlich arbeitet. Was verkauft das Unternehmen? Fleisch aus Massentierhaltung? Verbrenner? Holzöfen? Zigaretten? Wo werden die Produkte hergestellt? In China? Mh, da könnte es mit dem Umweltschutz „problematisch“ werden. Mal von Menschenrechten ganz zu schweigen. Aktien sind dennoch die Anlageklasse wo der einzelne ganz konkret seine eigenen Kriterien anwenden und gezielt Unternehmen raussuchen kann.
– ETFs: Da wird die Sache schon komplizierter. Sicher gibt es „nachhaltige“ ETFs mit der Bezeichnung SRI oder ESG. Aber auch da muss man sehr genau schauen, was da eigentlich im Depot liegt.
– Immobilien: Hat deine Immobilie einen Kamin? Eine Gastherme? Von welchem Anbieter wird der Strom bezogen? Bei Altbauten stellen sich noch ganz andere Fragen wie: Hat das Haus noch Bleirohre? Wie ist die Dämmung? Kann überhaupt gedämmt werden? Oder gibt es Immobilien auf Holzbasis, die so ein ausgeklügeltes Energiesystem haben, dass man quasi autark leben kann? (Spoiler: Ja, gibt es.)
– Bitcoin nachhaltig? Wohl eher nicht, wenn ich den Energieverbrauch anschaue – denn die Energie wurde bestimmt nicht zu 100% aus erneuerbaren Quellen bezogen, richtig?
Warum das klimaneutrale Investieren auf keinen Fall reicht.
Aber was bringt das klimaneutrale Investieren, wenn am nächsten Tag beim Einkauf im Discounter Billigfleisch im Einkaufswagen ladet?
Richtig. Nichts.
Denn dann investiert man nur für das gute Gewissen.
Um wirklich einen Wandel herbeizuführen, müssen wir unsere Gewohnheiten überdenken. Was essen wir? Wieviel Fleisch futtern wir und woher stammt es? Wieviel Fertigprodukte schaufeln wir uns rein? Wir stehen wir zur Mobilität? Jeder mit seiner eigenen SUV-Karre oder ist das Fahrrad eine Alternative? Beziehen wir unsere Strom- und Wärmeenergie aus nachhaltigen Quellen oder heizen wir zu 100% mit Kohle? Das ließe sich noch sehr weit fortführen: Klamottenkonsum?, Plastikverbrauch?, Wegwerfgesellschaft?, Wasserverbrauch?
Einige könnten jetzt richtig schlechte Laune bekommen und sagen: aber ich lebe nur einmal, ich möchte mein Leben genießen können.
Darauf kann ich nur antworten: Klar kannst du dein Leben genießen. Deine Kinder und Enkelkinder werden es save nicht mehr so ohne weiteres genießen können, weil dann die Folgen des Klimawandels heftig zuschlagen.
Das Ändern von Gewohnheiten ist richtig schwer! Und meist gelingt es erst, wenn der Schmerz zu groß ist. (Beispielsweise hören viele Raucher erst dann auf mit rauchen, wenn der Lungenkrebs schon da ist oder der Herzinfarkt fröhlich winkt.)
Trotzdem müssen wir mit aller Macht dranbleiben! Die Wissenschaft sagt uns seit 30 Jahren, was alles passiert, wenn die Erderwärmung eine kritische Grenze erreicht hat und wir haben immer noch Zweifel!
Auch die Politik trägt eine große Verantwortung! Aber leider erleben die allermeisten Politiker, die heute auf die Bremse treten, die heftigen Folgen des Klimawandels nicht mehr.
Fazit
In der Regel sehe ich bei jedem Thema einen Funken Hoffnung. Beim Thema Klimawandel bzw. „klimafreundliches Investieren“ leider nicht. Menschen sind träge Wesen und die Veränderungen, die wir alle vornehmen müssten, überfordern viele. Als 2022 die Gasdebatte losgetreten wurde, haben viele protestiert, dass sie die höheren Energiepreise nicht zahlen wollen (oder können). Was ist die Folge? Viele meiner Nachbarn verbrennen nun im Winter Holz (nein, das ist nicht klimaneutral, Quelle). Am besten dazu noch in einen klimafreundlichen ETF investieren und der Treppenwitz ist perfekt. Der Klimawandel wird uns und unsere Kinder mit voller Wucht treffen, da hilft auch jedes klimafreundliche investieren nichts! Wir werden es als Menschheit nicht auf die Reihe bekommen, dieses globale Problem zu lösen, weil das Denken der Menschen viel zu sehr auf den eignen Vorteil und Radius begrenzt ist. Also lasst uns stattdessen schauen, wie wir mit den künftigen Veränderungen klar kommen können, wenn wir es denn können. Der Erde an sich wird es egal sein, wenn wir Menschen uns selbst vernichtet haben.
Mag sein, dass eine klimaneutrale Wirtschaft teuer ist. Aber mit Sicherheit ist sie noch günstiger, als die Auswirkungen des Klimawandels, wenn man diese denn in Euros umrechnet.
Allerdings sind alle kleinen Schritte (und dazu gehört auch das klimaneutrale Investieren) besser, als gar keine Schritte. Natürlich ist es besser, in allen Lebensbereichen perfekt zu sein. Schafft nur fast keiner. Trotzdem sollten wir daran arbeiten und gegenseitig Überzeugungsarbeit leisten. Auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sich die Erde unserer irgendwann entledigt und die Menschheit als fehlgeschlagenes Experiment abhakt. Das Ruder nochmal rumzureißen, wird ein Kraftakt, bei dem alle Menschen und alle Länder mitmachen müssten. Für die Vorstellung reicht nicht mal mein Optimismus aus.