Zu diesem Buch hatte ich zwei sehr gute Bewertungen gelesen, daher freute ich mich schon darauf dieses zu lesen. Das Buch „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben“ von Josef Kirschner vermittelt aber keine konkreten Tipps, um aus dem Überfluss auszubrechen (so wie es der Titel eigentlich suggeriert). Gleich vorweg. Das Buch hat einige merkenswerte Gedanken, aber die Argumentationsweise des Autos finde ich sehr daneben. Auch falsche Informationen wurden in diesem Buch mit verwurstet. Aber der Reihe nach. Zunächst die positiven Aspekte dieses Buches.
Gute Zitate aus dem Buch „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben“
Fragen, die man sich selbst stellen sollte:
„1. Auf welchen Gebieten meines Lebens erwarte ich Erfolgserlebnisse und Anerkennung?
2. Wie viel Geld brauche ich, um das Leben führen zu können, das ich führen möchte? Was möchte ich besitzen, weil ich es brauche, und welche materielle Absicherung benötige ich?
3. Wie finde ich die emotionale Befriedigung, nach der ich mich sehne? Wie stelle ich mir Partner, Familie und sexuelle Beziehungen vor?
4. In welcher Umgebung möchte ich leben, und wie kann ich mir diesen Lebensraum schaffen?
5. Was kann ich für meine Gesundheit tun, wie beuge ich Krankheiten rechtzeitig vor, und wie kann ich mich heute schon auf Krankheit, Schmerz und Tod vorbereiten?
6. Wie möchte ich as Persönlichkeit sein? Wie sieht mein Leitbild aus?
7. Was will ich tun, um die in mir schlummernde Kreativität frei zur Entfaltung zu bringen? Wie kann ich meine schöpferische Fantasie für die Lösung meiner Probleme nützen?“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 50
Wo wir unser Glück finden:
„Weil wir das Glück nur in uns selbst entdecken können. Dort ist es erreichbar. Gratis. Für jedermann. Jederzeit.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 59
„Skin in the game“ (nach Nassim Taleb):
„Denn sicher ist, dass mit zunehmender Distanz eines Menschen zu einem Problem das Gefühl der Verantwortung abnimmt.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 135
Das ist tatsächlich beispielsweise in der Politik gut zu beobachten. Früher zogen die Feldherren an der Spitze ihres Heeres in den Krieg. Heute sitzen die Entscheider in einem Büro und drücken einen Knopf – um es mal überspitzt auszudrücken. Auch in anderen Bereich ist das gut zu sehen. Wer nicht persönlich vom Problem betroffen ist, wird möglicherweise nicht unbedingt die beste Lösung für das Problem finden.
Nein, wenn ein Nein angebracht ist:
„Sich frei zu machen von fragwürdigen Tabus heißt in der Praxis des Alltages nichts anderes, als nach der Formel zu leben: „Ich sage Nein, wenn es für mich richtig ist. Ich sage Ja, wenn es für mich richtig ist.“ 18 Wörter, die unser Leben von Grund auf verändern können, wenn wir anfangen, es danach einzurichten.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 143
Kritikpunkte am Buch „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben“
Da gibt es leider einige. Im Vorfeld hatte ich bisher gute Kritiken zu dem Buch gelesen und kann diese ehrlicherweise nicht nachvollziehen. Grob gesagt, verteufelt der Autor Technologie, die Gesellschaft ist böse, weil sie dem Individuum angeblich alles vorschreibt, seine Theorien gehen in Richtung Verschwörungstheorie und er hat eine chauvinistische Meinung Frauen gegenüber. Mal von tatsächlich (bewusst?) falscher Information abgesehen.
Aufforderung zum Regeln brechen
Heute früh, als ich zu Hause ins Büro fuhr, kam ich wieder einmal an einem Straßenstück vorbei, an dem gearbeitet wird. Es ist mit einem Schild gekennzeichnet, das den Autofahrern eine Fahrgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern vorschreibt.
Noch nie bin ich dort 30 Stundenkilometer gefahren. Vor allem deshalb, weil nur gelegentlich zwei, drei Arbeiter zu sehen sind. Die meiste Zeit war die Baustelle verwaist.
Meine Vernunft und mein natürlicher Instinkt sagen mit sehr deutlich, wie hoch die Geschwindigkeit sein kann, mit der ich, den jeweiligen Umständen angepasst, dieses Straßenstück passiere.
Ich tue es. Und obwohl ich mir das Richtige meiner Einstellung völlig bewusst ist, habe ich doch Schuldgefühle. Ich fürchte, dabei erwischt zu werden, wie ich gegen eine völlig widersinnige Anordnung der Obrigkeit verstoße.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 38
Wäre der Autor auch mit 50 durch die Spielstraße gebrettert, weil er gerade keine Kinder dort gesehen hat? Die meisten Autofahrer halten sich übrigens für überdurchschnittlich gute Autofahrer – nennt man auch Dunning-Kruger-Effekt.
„Anordnung der Obrigkeit“ schwingt im Buch immer wieder durch und der Autor wälzt sich genüßlich darin, dass er einen angeblichen Plan der „Obrigkeit“ durchschaut zu haben scheint. Warum kommt ihm nicht die Idee, dass es grundsätzlich Regeln des Zusammenlebens gibt, damit das Zusammenleben überhaupt in einer zivilisierten Art und Weise möglich ist? Das bedeutet nicht, dass ich mich persönlich sklavisch an alle Regeln halte. Aber ich sehe auch nicht in der jeder Regel eine Gängelung durch die „Obrigkeit“ wie Herr Kirschner. Wen auch immer er damit meint…
Mal davon abgesehen, spricht der Autor immer wieder über Freiheit (auch in Bezug auf die Obrigkeit, die angeblich das zu verhindern versucht). Wir sollten uns klar machen, dass unsere Form der Freiheit noch nicht allzu lange existiert. Wir müssen keinen Überlebenskampf führen (Nahrung!!), wir haben eine gesicherte medizinische Versorgung. Auch müssen wir nicht damit rechnen exekutiert zu werden, nur weil wir eine andere Meinung haben als die Politik (war bis 1945 in Deutschland aber Realität). Wir haben so viele Freiheiten wie nie. Ein Blick in die Geschichte sollte uns aber sehr demütig werden lassen.
Der Hunza-Mythos
Relativ am Anfang des Buches erwähnt Kirschner bereits die Hunza. Ein Bergvolk im Himalaja, welches ohne Strom und Technologie lebt und angeblich keine Krankheiten kennt. Quasi das ideale Leben, was sich der Autor vorstellen könnte. Er widmet diesem Volk nochmal separat ein ganzes Kapitel. Ein Blick auf die Wikipediaseite zeigt, dass seine Behauptungen nicht stimmen. Sehr wohl haben die Hunza Krankheiten – Tuberkulose, Hautkrebs (Höhenstrahlung!) und die vergleichbare Lebenserwartung liegt in Pakistan bei 60 Jahren. Die Kindersterblichkeit liegt bei 30% in den ersten 10 Jahren. Soviel zum „Wunder“. Die Erstauflage von „Der Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben“ erschien 1982. Zu diesem Zeitpunkt war der Hunza-Mythos bereits durch Dr. Clark entlarvt worden. Ein Schelm wer jetzt böses denkt, aber es würde halt gut zum Konzept des Buches passen. Selbst wenn er damals nicht sofort gewusst hätte, existiert das Buch in der dritten Auflage – irgendwann sollte man sich auch Fehler eingestehen können.
Ein chauvinistisches Kapitel
Früher mögen die Hausfrauen am Abend gejammert haben über den Schmerz im Rücken oder rissige Hände. Aber sie trugen den Beweis ihrer Leistung mit sich herum. Sie brauchten die Arbeit nicht hektisch vorzutäuschen – (…).
Natürlich weiß ich als Mann nicht genau, was in einer Hausfrau vorgeht, die sich gestern ein neues Haushaltsgerät gekauft hat. (…)
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 91
Dann folgt im Kapitel eine Aufzählung möglicher Gründe, warum sich eine Hausfrau ein Haushaltsgerät kaufen könnte. Von Prestige bis hin zum allgegenwärtigen ertrinken im Überfluss (aufgrund von mehr Zeit) ist alles dabei. Es ist wirklich haarsträubend. Mal davon abgesehen, dass er meiner Meinung nach eher abwertend über Frauen schreibt, sagt er nichts über Männer, die sich neues Werkzeug kaufen… Dieses ganze Kapitel mit der Meinung des Autors ist aus dem letzten Jahrtausend. Auch meint er, dass die frühere Hausfrau wohl nicht so emanzipiert gewirkt hat, wie die heutige Hausfrau. Was der Autor aber völlig vergisst: Dass die Frauen genauso viele Rechte hat wie der Mann, ist noch gar nicht so lange her! Genauso wie die gesellschaftlichen Ansprüche an die Frau, die vor allem von Männern diktiert wurden! Ich hätte gern gewusst wie sich Herr Kirschner zu Hause verhalten hat!
Btw: Ich werde weiterhin meine Waschmaschine nutzen, obwohl ich gar keine Hausfrau bin.
Tiefes Misstrauen gegenüber anderen Menschen und deren Expertise
„Dabei ähnelt kaum eines der angebotenen Werturteile dem anderen. Genauso, wie kaum eine Diagnose eines Arztes der eines Kollegen ähnelt. Oder wie Sie kaum zwei Autowerkstätten finden, die Ihnen das Gleich sagen werden, welche Teile bei einer Reparatur Ihres Wagens ersetzt werden müssen. (…)
Er (der Mensch) besitzt kein Werturteil mehr.
Und warum nicht? Weil er es aufgegeben hat, sich ein Urteil durch eigene Erfahrung zu bilden. Dabei ist es der einzig sinnvolle Weg, wenn wir nicht im sinnlosen Überfluss des schillernden Verpackungsangebots ersticken wollen.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 108
Der Autor vermischt immer wieder verschiedene Dinge. Das ist mit der Zeit echt anstrengend. Auch untermauert er seine Aussagen mit pauschalen Scheinargumenten. Als ob ein Arzt etwas mit der Konsumindustrie zu tun hat (nein, er steckt auch nicht mit der Pharmaindustrie unter einer Decke *genervt guck*). Herr Kirschner scheint etwas gegen Wissenschaft und insbesondere gegen Ärzte zu haben (S. 37, S. 109-112, 156 etc.)
„Wir können eines getrost zur Kenntnis nehmen: Kaum einer von uns Patienten wäre jemals bereit, seinen Körper so zu misshandeln, so leichtfertig daran herumzuschneiden, so maßlos Medikamente in ihn hineinzustopfen, wie Ärzte bereit sind, es mit uns zu tun.“
Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben, S. 156
Der Tenor, dass sich Ärzte nur selbst bereichern und den Menschen grundsätzlich Schaden, zieht sich durch das gesamte Buch. Es werden einfach alle Ärzte über einen Kamm geschoren. Sicherlich gibt es auch unter den Ärzten schwarze Schafe – wo denn nicht, aber deswegen alle zu verteufeln, ist schon ein starkes Stück.
Wahrscheinlich wäre der Autor, wenn er noch leben würde, gegen die heutigen Coronamaßnahmen Sturm gelaufen. Denn dann hätte er sich durch die Wissenschaft und die Impfempfehlung wieder durch die Obrigkeit gegängelt gefühlt.
Quellenangaben?
Im gesamten Buch stellt der Autor allerhand Behauptungen auf. Er scheint beispielsweise einen Zeitungsartikel zu erwähnen, in dem es um 37 Frauen ging, denen die Brust amputiert wurde, aufgrund eines Knotens, der sich letztlich als gutartig herausgestellt hat (S. 112 im Buch). Es ging im Speziellen um die Mammographie und der Autor echauffiert sich, dass bei diesen 37 Frauen der Eingriff komplett unnötig war und dass die Menschen aufhören sollten blind Ärzten zu vertrauen. (Am Ende des Kapitels schwenkt er wieder zum Verzicht über. Diese Argumentationsketten sind für mich nicht nachvollziehbar.)
Das ist wirklich krass, was der Autor von sich gibt! Hier ein paar Gedanken dazu.
- Der Autor gibt keinerlei Quellen an. Ist ziemlich schlecht, wenn man als Leser die Originalquelle gegenprüfen möchte.
- Der Autor redet von 37 Frauen (natürlich ohne Quellenangabe), bei denen die Brust hätte nicht abgenommen werden müssen, weil der Tumor doch gutartig war. Mit keinem Wort erwähnt er, wieviele Frauen die Mammographie schon gerettet hat, weil eben doch der bösartige Krebs entdeckt und entfern wurde. Mittlerweile ist die Technik besser. …und im Zweifelsfalle würde ich mir persönlich immer den Tumor rausschneiden lassen! Basta.
- Ja, man kann an die Selbstheilungskräfte beim Tumor glauben. Wie das ausgehen kann, hat man zum Beispiel bei Steve Jobs eindrücklich gesehen! (Er ist am Pankreaskarzinom verstorben, nachdem man den Tumor frühzeitig entdeckt hat, was bei dieser Art Krebs ein echter Glücksfall ist).
Fazit zum Buch „Die Kunst, ohne Überfluss glücklich zu leben“
Ich hatte mir von diesem Buch deutlich mehr erhofft. Der Autor hat einige wichtige Ansätze dabei, die das eigene Leben bereichern können. Aber alle Probleme, die die einzelne Person hat oder die Gesellschaft werden auf Krampf auf den „Überfluss“ bezogen. Eine andere Möglichkeit sieht der Autor gar nicht. Es steckt unglaublich viel Misstrauen in diesem Buch – gegen die Politik, gegen die Wissenschaft, gegen Ärzte. Und ganz ehrlich: nach den Aussagen des Autors zu urteilen, wäre er in der heutigen Zeit sicherlich bei den Querdenkerdemos mitgelaufen!! Für mich überwiegen deutlich die Kritikpunkte zum Buch – mal von fehlenden Quellenangaben und damit nicht überprüfbaren Aussagen ganz zu schweigen. Ich finde dieses Buch überholt und kann es nicht weiterempfehlen. So viel Schund in einem Buch habe ich schon lange nicht mehr gelesen.
Spoiler: Ich liebe die Wissenschaft und ich liebe fundierte Aussagen. Das bringt mein Beruf als Ärztin mit sich. Natürlich kann die Wissenschaft bei Weitem noch nicht alles erklären, aber das Entdecken neuer Sachverhalte macht genauso viel Spaß.
Lieber Finanzbuchverlag, warum listet ihr dieses Buch (noch)? Ist eine ernstgemeinte Frage…
Wer Veränderungen in seinem Leben vornehmen möchte, dem verlinke ich lieber ein wirklich nützliches Buch! Hier findest du eines meiner Lieblingsbücher.
*Wer sich über Geldpsychologie und über Konsum informieren möchte, dem das Buch von Claudia Hammond empfohlen (Mehrwert und Quellenangaben garantiert).
*Danke für’s Lesen!
Viele Grüße
Anna
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